Geschichtswerkstatt Hölzenhausen
Nassauischer Löwe

 

Streifzüge durch die Geschichte von Hölzenhausen

1711–1803 Nassau-Diez/Nassau-Oranien.

Besuch der Regierung in Hölzenhausen 1783.
Rüge wegen dem Zustand des Dorfes und der gesamten Gemarkung.

visitation_1783

Visitation des Amtes Marienberg. 1782–90.
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden HHStAW 172, 3354.

Von 1711/17 bis 1803 gehörte Hölzenhausen zu Nassau-Diez, dessen Herrscherhaus seinen Sitz 1732 nach Den Haag verlegte und sich fortan Oranien-Nassau nannte. Wir wurden in dieser Zeit aus den Niederlanden regiert. Für Siegerland und Westerwald richtete man eine Landesregierung in Dillenburg ein. Diese berichtete an den Prinzen von Oranien und sein deutsches Kabinett in Den Haag.

Vor allem ab den 1760er Jahren führte die Dillenburger Regierung eine Reformpolitik auf praktisch allen Gebieten durch, die ab 1778 nochmals Fahrt aufnahm, als der Freiherr von Preuschen zum Regierungspräsidenten ernannt wurde.

Vor allem durch den Dillenburger Regierungsrat Eberhard wurde ein Konzept für die radikale Erneuerung der Landwirtschaft ausgearbeitet, das einer Revolution gleichkam und mit großer Unnachgiebigkeit und Härte durchgesetzt wurde.

Hauptpunkte waren das faktische Verbot der Erbteilung, damit die Felder nicht immer kleiner wurden, eine Flurbereinigung (“Konsolidation”) und die Einführung der Fruchtwechselwirtschaft statt der im Oberwesterwald noch praktizierten Feldgraswirtschaft (der sogenannten Trieschwirtschaft). Bei dieser seit dem Mittelalter praktizierten Bewirtschaftung des Bodens lagen die Äcker nach der Bebauung immer einige Jahre “triesch”, blieben also unbebaut, damit der karge Boden sich erholen konnte.

Insbesondere mit dem Verbot, Felder bei der Vererbung nicht unter eine bestimmte Größe zu teilen (die sie meistens ohnehin nicht mehr hatten), griff die Regierung tief in das Eigentums- und Erbrecht ein. Die leer ausgegangenen Erben mussten natürlich entschädigt werden. Die Bevölkerung fand aber immer wieder Möglichkeiten, das Verbot zu umgehen, so dass alle paar Jahrzehnte neue Konsolidationen stattfanden, so in der herzoglich-nassauischen Zeit und unter den Preußen.

Bereits zerteilte Parzellen, deren Breite häufig bis zu 1,80 m herunterging, mussten zusammengelegt werden. Die Pläne dafür wurden von Geometern (Landmessern) angefertigt.

Der Übergang von einer Zweifelderwirtschaft zu einer verbesserten Dreifelder- oder gar Vierfelderwirtschaft hatte zeitweise großen Erfolg, bereitete aber auch erhebliche Probleme, zum Beispiel als das Unkraut überhand nahm oder die Erträge wieder schlechter wurden.

Konflikte entstanden auch dadurch, dass große Teile der Gemeindewiesen sowie der mit anderen Gemeinden zusammen betriebenen sogenannten Koppelhuten und der zu diesen hinführenden Triften nun unter den Pflug genommen werden sollten. Darunter litten die kleineren Bauern, die nur wenige eigene Weiden oder gar keine hatten. Das Vieh sollte nun möglichst ganzjährig in den Stall. Zur Fütterung war der neu eingeführte Klee vorgesehen, der in großem Maßstab auf den bisherigen Brachflächen angebaut werden sollte.

Schwierig war es auf vielen Dörfern auch, die Menschen zu gemeinschaftlichen Anstrengungen zu bewegen und zum Beispiel feuchte Stellen der Gemarkungen zu entwässern oder die Steine von den Wiesen zu lesen. Die rund um Hölzenhausen an vielen Stellen liegenden Steinhaufen geben Zeugnis von diesen Bemühungen. Man erkennt daran aber auch den vorherigen Zustand: unsere Wiesen und Äcker waren übersät von Steinen. Die Felsbrocken auf der Großen Wiese unterhalb des Röhrshahn waren diejenigen, die sich selbst bei der größten Kraftanstrengung nicht bewegen ließen.

Zur Kontrolle der angeordneten Maßnahmen reiste Regierungsrat Eberhard, begleitet von den Amtmännern der jeweiligen Bezirke (zum Beispiel für Hölzenhausen Amt Marienberg), jedes Jahr bis in die kleinsten Dörfer. Über den Befund und die daraus abgeleiteten Anordnungen wurden umfangreiche Berichte angefertigt, die sogenannten “Visitationsprotokolle”. Einige Jahrgänge davon sind erhalten geblieben und befinden sich jetzt im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden.

Am 23. Juni 1783 waren die Inspektoren auch in Hölzenhausen und gaben ein für unser Dorf wenig schmeichelhaftes Urteil ab. Wir zeigen die Originalurkunde mit Transkription, welche die ursprüngliche Schreibweise beibehält.

Ärger war es nur noch in “Rozzenhahn”, wo offenbar so geschlampt wurde, dass es bei der Visitation zu einem regelrechten Eklat kam. Regierungsrat Eberhard drohte dem Schultheißen Georg Baldus, dem Geschworenen Sturm sowie den Gemeindevorständen Aust und Christ Baldus erzürnt an, sie zur Zwangsarbeit in ein Siegerländer Bergwerk bringen zu lassen.

Das große Vorbild bei der Umsetzung der Reformen war stets der Ort Bellingen, “ohnstritig der bestcultivirteste des ganzen Kirchspiels Rozzenhahn”, wie es mehrfach hieß.

Oben erkennt man in dem Ausschnitt noch den Rest des Berichtes über Bellingen, unten den Beginn von Ailertchen.

Aus den Texten lässt sich sehr viel auch über die Geschichte und die Lebensumstände der jeweiligen Dörfer erfahren. Interessant ist zum Beispiel, dass Hölzenhausen im Jahr 1783 schon vom Schultheißen des Kirchspiels Rotenhain verwaltet wurde. Dass würde bedeuten, dass es schon früher als bisher bekannt vom Kirchspiel Höhn zum Kirchspiel Rotenhain wechselte. Bisher nahm man das Jahr 1800 oder später an. Vielleicht gab es aber auch eine längere Übergangsphase, in der zum Beispiel die kirchlichen Angelegenheiten noch von Höhn reguliert wurden und die weltlichen bereits Rotenhain zugeordnet waren.

Eine große Überraschung ist, dass der aus Bellingen stammende Schultheiß Johann Georg Baldus (1746–1809) im Jahr 1783 in Hölzenhausen wohnte. Dazu passt, dass die Taufpatin seines Sohnes Paulus, geboren am 22.11.1778, Anna Maria Gayer aus Hölzenhausen war (so festgehalten im Kirchenbuch).

Hier die Transkription des Dokumentes, erstellt von Peter Eisenburger. Rechtschreibung wie in der Vorlage:

Hölsenhausen

Diese Gemeinde hatte weit weniger sich herfür gethan.

1.) Ihre Wiesen waren noch mit Sträuchen bewachsen, und auch noch nicht von Steinen gereinigt. -

2.) War ihre Dorfstrase schlecht, -

3.) Die Gebäude gleichfalls im übelen Stande, unter welchen besonders die der Johs. Adam Baldus Erben zu Bellingen, und dem Johs. Crist Wieser zu Rozzenhahn zugehörige Wohnhäuser, welche seit 20 Jahren nicht bewohnet worden, die schlechtesten waren.-

Diesen wurde durch den Schultheis Baldus bedeutet, daß falls sie solche innerhalb 3 Wochen a dato nicht in tüchtigen Stand stellen und vor der Feuergefahr sichern würden, dieselben niedergelegt und an den meistbietenden verkauft werden solten.

Ferner

4.) befinden sich außer dem Dorf noch verschiedene wüstungen welche leichtlich cultiviret und urbar auch zu den daran stoßenden Feldern gezogen werden konten. –

Bey Vermeidung der strengsten Execution wurden dem Vorstand, mit meinem angehängten Verweis ihrer bisherigen nachlässigkeit und Pflichtvergeßenheit befohlen, noch dieses Jahr ihre geile [brachliegende; PE] Wiese besonders von Steinen und Sträuche zu reinigen, und dem an diesem Ort wohnenden Schultheis Baldus die besondere aufsicht darüber aufgetragen.–

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Hochgeladen am 12. Juni 2022. Zuletzt editiert am 28. September 2024.